Stellen wir uns mal vor ...

Stellen wir uns mal vor, alle Pflegekräfte in Deutschland wären Mitglied in einer Vereinigung, so wie die Lokführer in der GDL.
Und wir würden nun genau so streiken. Ein Angebot von 4,9% mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 1000 € für Ende Juni wäre uns nicht genug, denn das löst das Problem nicht an der Wurzel.
Und nun streiken wir in GANZ Deutschland, in allen Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Pflegediensten, die Krankenschwestern bei der Bundeswehr, in anderen Einrichtungen wie z.B. Behindertenwohnheimen usw. Die Krankenhäuser und Altenheime laufen nur noch auf Notfallbetrieb - noch minimal weniger als bisher.
Die Notfallambulanzen sind nur mit dem Mindesten an Pflegekräften besetzt (so wie sonst, haha), alle Operationen abgesehen von Notfällen sind abgesagt, auf den Stationen werden die Patienten nur noch notdürftig versorgt und müssen lange warten auf Medikamente, Essen etc., Bettlägerige Menschen müssen länger warten bis sie gewaschen werden, falls das während des Streiks überhaupt täglich möglich ist, sie müssen länger warten bis sie sauber gemacht werden, klingelnde Patienten werden oft erst nach einer halben Stunden aufgesucht weil nur noch ganz wenig Personal da ist und das für mindest eine Woche lang.
Angehörige gehen allmählich auf die Barrikaden, weil ihre Familienmitglieder oder Freunde, die bei uns in Behandlung sind, pflegerisch immer schlechter versorgt werden, eben nur so viel wie gerade erforderlich, um die Würde der Patienten nicht zu verletzen.
Keine Untersuchungen, keine Visiten bei denen die Schwester dabei ist, keine Schwester die die Visiten und Anordnungen ausarbeitet. Nur Schwestern, die die notwendigste Versorgung übernehmen.
Das eine Woche lang. In jedem Krankenhaus und Altenheim etc. in Deutschland. Auf jeder einzelnen Station in den Krankenhäusern und Heimen.
Was denkt ihr, was würde man uns da für ein Angebot machen?
Wahrscheinlich zuerst mal mehr Geld. Aber das ist nicht die Lösung für das Pflegenotstandproblem in Deutschland.
Geld ist noch nicht einmal unbedingt das einzige was wir wollen. Wir wollen mehr Anerkennung für unseren Beruf. Die Altenpflege ist nicht schlechter als die Krankenpflege, sie verdient die gleiche Vergütung und Anerkennung wie die Gesundheits- und Krankenpflege.
Wir möchten, dass sich etwas am Personalschlüssel ändert. Dass nicht nur am Minimum mit Personal gearbeitet wird, sondern dass mehr QUALIFIZIERTES Personal dauerhaft mit Festverträgen eingestellt wird, so dass eine Schwester nicht mehr 12 oder mehr Patienten alleine zu versorgen hat, sondern so wie in anderen Ländern, z.b. Skandinavien, maximal 6 bis 8.. Das wäre schon genug. Das würde alle hart arbeitenden Pflegekräfte in Deutschland schon ein riesengroßes Stück entlasten. Und vor allem die privaten Träger könnten sich diese Forderung definitiv leisten.
Dauerhaft mehr Geld wäre für das was wir täglich leisten, auch eine Forderung. 4,9% wie aktuell die GDL angeboten bekam + 1000 Euro Einmalzahlung (inklusive des erhöhten Personalschlüssels) würden mir persönlich als Krankenschwester erst mal reichen.
Denn ich und alle anderen Pflegekräfte gehen täglich nicht einfach nur arbeiten, wir geben jeden Tag ein Stück von uns selbst, wir denken in der Zeit in der wir arbeiten nicht mehr nur an uns, sondern immer zuerst an das Wohl des Patienten, wir verkneifen uns Toilettengänge, wir rennen mit großem Hunger- und Durst über die Station, aber wir versorgen erst die uns anvertrauten Menschen. Danach kommen wir selbst. Das ist der Pflegealltag in Deutschland. Jeder Dienst raubt uns ein Stück unserer körperlichen und seelischen Kraft, und wir bekommen von unseren Arbeitgebern aufgrund der Situation in Deutschland zu wenig Zeit, uns wieder zu erholen.
Aber nun, das allerwichtigste, was am Ende dieser Woche des Streiks geschehen würde, ist:
Ganz Deutschland hat hautnah erlebt, was passieren würde, wenn es keinen mehr von uns geben würde und wie sehr man uns braucht.
Und danach würde vielleicht endlich etwas passieren und sich etwas zum Vorteil der Patienten und für uns ändern.

Quelle Internet • www.anerkennung-pflege.de • Urheber: Eine Krankenschwester