so ist es ...

Eine traurige Nachricht von Pamela aus Bayern erreichte mich, in der sie den Fortschritt des Pflegeberufes und ihren Ausstieg beschreibt:

„Lieber Herr Heyde,

ich bin Krankenschwester und habe mein Examen 1975 in einer großen Klinik in Bayern abgelegt. Natürlich bin ich nicht so dreist zu behaupten, dass damals alles besser war und aus Gold bestand. Aber es war schon eine andere Zeit und auch der Umgang, gerade auf der menschlichen Ebene, war noch ein ganz anderer.

Als ich damals die Ausbildung machte, gab es noch auf jeder Station einen Praxisanleiter und die Zeit zum anleiten war auch noch da. Natürlich auch nicht immer, aber öfter als es heute der Fall ist. Kolleginnen gab es damals noch mehr als heute und auch die Entlastung auf Station war besser, vor allem durch die Zivildienstleistenden. Oftmals bildete dieser erste Kontakt den Grundstein für eine spätere Ausbildung im Pflegebereich. Unsere Stationsleitung und Pflegedienstleitung waren auch noch näher an uns Krankenschwestern dran und man konnte Probleme besser und schneller besprechen. Es war damals noch normal, dass eine Leitung in der Pflege mithalf und sie unterstützte.

Meinen ersten Kontakt mit der Altenpflege hatte ich 1990 aufgrund von Stellenabbau in meinem Krankenhaus. Es war für mich der Einstieg in eine komplett neue Welt. Ich werde nie vergessen, als ich zum ersten Mal ein Pflegeheim betrat und den abgestandenen Geruch von Alter und Fäkalien einatmete. Es war ein Schock für mich. Und dieser Geruch ist in jedem Pflegeheim gleich. Die Einbußen beim Gehalt waren für mich schon spürbar, da es ein privater Betreiber war, aber ich wollte etwas neues probieren und gab dem ganzen eine Chance.

Und so bekam ich schnell einen Eindruck davon, welch schwere Arbeit doch Altenpflege ist. Es ist körperlich und geistig extrem fordernd und eine hohe Belastung für die Pflegekräfte. Auch damals schon aus den Gründen, dass wir noch kaum Hilfsmittel hatten und auch da schon am Personal gespart wurde. Aber es war eine andere Art zu arbeiten und ich fand daran gefallen. So blieb ich dann im Pflegeheim und wurde selbst Praxisanleiterin und später Stationsleitung. Dieser Schritt ist nun 10 Jahre her.

Seit dieser Zeit hat sich sehr vieles verändert. Neue Fachkräfte kommen und gehen wie das geringe Gehalt am Monatsende, Auszubildende werden nicht mehr genug angeleitet, sondern zum Teil als feste Schichtleitungen mit Pflegehelfern verplant, Dienstpläne können nicht mehr abgedeckt werden.

Die Grenzen verschwimmen immer mehr, es gibt eine Vielfalt an Bezeichnungen innerhalb der Altenpflege. Letztendlich sind es doch alles nur Helferberufe, mit einem anderen Grad an Ausbildung oder gar keiner Ausbildung. Es ist für mich unglaublich schwer geworden, den Dienstplan zu schreiben. Ich versuche immer auf alle Wünsche einzugehen und niemanden zu benachteiligen. Aber das gelingt mir nicht immer. Dann ist die Zufriedenheit auf Station im Keller.

Immer öfter benötigen wir sogar Zeitarbeit um Ausfälle zu kompensieren. Diese Zeitarbeit frisst laut soviel Geld, dafür könnten wir Fachkräfte fest anstellen. Aber welche Fachkraft möchte denn für 2.500€ brutto arbeiten in Vollzeit. Ich selbst bekam als Stationsleitung gerade einmal 2.700€ brutto. Am Ende bleibt da trotz Vollzeit nicht unbedingt viel auf dem Konto übrig.

Und so schrumpfte mein Stammpersonal immer mehr und die Überstunden wurden auch immer mehr, ich als Stationsleitung ging immer mit Vorbild voran. Übernahm Doppelschichten, Feiertage und kam sogar krank auf die Arbeit. Ich weiß, das sollte man nicht und dafür gibt es auch gute Gründe. Eine Familie habe ich in dieser Zeit nicht geschafft aufzubauen, so wartete am Ende des Tages zumindest niemand daheim, den ich enttäuschen oder verletzen hätte können. Einzig mein Hund Leila war dann für mich da, aber sie war auch immer dabei, denn wenigstens durfte ich sie mit auf die Arbeit nehmen. Ich mache mir vor, damit wurde einiges erträglicher für mich. Jetzt vor 3 Monaten ist sie im Alter von 13 Jahren gestorben und genau seit dieser Zeit ging es mit mir auch gesundheitlich bergab. Fast kommt es mir so vor, als ob sie alles aufgefüllt und abgefedert hat bei mir und mir Lebenskraft gegeben hätte.

Leider wurde ich nicht mehr so wie vorher. Ich musste meinen Tribut für den Einsatz zahlen. Meine Gesundheit hat darunter gelitten, dass ich immer eingesprungen bin. Ich habe Schlafstörungen, depressive Phasen und bin laut Angabe meines Therapeuten kurz vor dem Burn Out, mein linkes Knie ist durch die Belastung verschlissen, im Ellenbogengelenk habe ich Arthrose.

Mein Arbeitgeber hat meine Stelle in der Zwischenzeit neu besetzt mit den Worten: „Das schaffen Sie mit Ihrer gesundheitlichen Verfassung eh nicht mehr!“

So schreibe ich Ihnen diese Zeilen aus der Reha, wo ich neuen Kräfte tanken kann. Eine Rückkehr wird es für mich in die Pflege nicht mehr geben. Dazu hat mir die Pflege zu viel genommen. Aber ich bin auch teils selbst Schuld daran gewesen. Wenn man nur mit dem Herzen denkt, verpasst man irgendwann den Punkt, an dem man abspringen sollte zu seinem eigenen Wohl.

Denken Sie in Ihrem Kampf daran, auf sich selbst zu achten. Opfern Sie am Ende nicht alles, wenn es sich nicht wirklich für Sie lohnt. Der Pflegeberuf ist ein toller Beruf, gewesen.

Jetzt nimmt er nur noch und löscht am Ende die Zahlen aus seinem System.

Grüße Pamela

Quelle • Facebook • Pflegekräfte in Not • Urheber Text © Pamela